„Psst. Stör
deinen Onkel nicht. Er macht gerade Yoga.“ Also verhielt ich mich still und
schlich mich wieder aus dem Zimmer. Das war in den 1970er-Jahren in der Wohnung
meiner Oma in St. Pölten. Mein Onkel lebte damals noch bei ihr. In seiner Ecke
des Schlafzimmers gab es ein kleines Bücherregal, in dem auch Bücher über Yoga
standen. Ich blätterte neugierig darin. War fasziniert von den mir damals
absurd scheinenden Verrenkungen. Und doch dürfte es sich auf mein späteres Leben
ausgewirkt haben. Denn heute bin ich eine begeisterte Anhängerin dieser
östlichen Bewegungs-, Atmungs- und Meditationslehre. Eine von vielen. Als mein
Onkel übte, waren Yoga-Praktizierende fast ausnahmslos von ihren Mitmenschen
milde belächelte Freaks mit langem Haar und einem Bart. In den 2000er-Jahren
sind mehrheitlich Frauen yoga-begeistert.
Doch kann
ich derzeit nur bedingt in Ruhe praktizieren. Es nützt wenig, wenn ich unserem
Sohn (22 Monate) sage: „Psst. Die Mama übt Yoga.“ Also sitzt er neben mir oder
auf meinem Lotussitz bei den Atemübungen. Hängt an meinen Beinen, wenn ich in
den Schulterstand gehen will. Oder platziert sich auf meinen Bauch, wenn ich
die schiefe Ebene als Gegenbewegung zur Kopf-Knie-Haltung mache.
Eines ist
gewiss: Wenn ich am Morgen genug Zeit (und teils Ruhe, wenn unser Kleiner
länger schläft als ich) zum Üben hatte, dann ist mein Gang aufrechter. Der
Rücken bleibt länger gerade. Die Schultern drängen nicht gleich am Vormittag
darauf, sich nach innen zu rollen. Leider hält der Effekt nicht ewig.
Spätestens am Nachmittag ist es vorbei mit der Körperspannung. Besonders, wenn
ich unseren Kleinen vom Kindergarten in der Blattgasse nach Hause in die
Landstraße trage und dabei den Rucksack mit den wichtigsten Dingen fürs
Abendessen und das Frühstück am nächsten Morgen fülle.
Wie lange
ich übe? Mindestens sechs Wiederholungen des Sonnengrußes, wenn ich spät dran
bin. Sonst eine halbe Stunde am Morgen, je nachdem wie viel Zeit ich mir mit
der Entspannungslage / Totenstellung /savasana (der einzige Begriff aus dem
Sanskrit, den ich gut kenne und ohne nachzuschauen zuordnen kann) lasse.
Angeblich ist dies ein guter Weg, um das eigene Sterben zu üben. Steht
zumindest in einer der Yogazeitschriften, die ich seit 2004 lese und die sich
seither in meinem Regal türmen.