30.11.14

Vom Müssen, Wollen und Dürfen


„Ich will, dass du musst“, forderte mein Sohn mit zusammengezogenen Augenbrauen und ernster Miene, als ich mich weigerte in ein weiteres Rollenspiel mit seinen Lego-Chima-Figuren einzutauchen. Das Leben ist vom Müssen geprägt. Ich muss Geld verdienen, sonst kann ich keine Miete zahlen, kein Essen kaufen. Ich muss regelmäßig zur Zahnärztin, sonst drohen weitere Plomben, gerissene Zähne oder Schlimmeres. Ich muss Wäsche waschen, damit alle in der Familie saubere Sachen zum Anziehen haben. Ich muss kochen, putzen, Geschirr abwaschen. Meinen Sohn in den Kindergarten bringen und wieder abholen. Klar, mein Mann und ich teilen uns die Pflichten. Aber dann muss er. Muss man wirklich so vieles müssen? Oder wäre es nicht einfach besser zu sagen: Ich darf. Ich darf im Biosupermarkt einkaufen, der nur sieben Gehminuten entfernt ist.

„Dein Müssen und dein Mögen, die stehn sich oft entgegen. Drum ist am besten, wenn du tust. Nicht, was du magst, nein, was du musst.“ Dieser Spruch steht in meinem Stammbuch. Scheinbar hat sich nicht nur die Tinte in die Seite geprägt, sondern auch die Worte in mein Gedächtnis. Es darf unter keinen Umständen leicht gehen. Es muss mühsam sein, keine Rede von Genuss. – Und ich verrate jetzt nicht, wer diesen Satz geschrieben hat; in ein Büchlein, das heute in der Form für Volksschulkinder gar nicht mehr existiert. Anstelle der leeren Seiten sind es vorgedruckte, die nur noch mit Stichworten befüllt und mit Fotos oder Pickerln beklebt werden müssen. Kreativität fiele hier aus dem vorgegebenen Rahmen.

Zurück zum Müssen und Mögen. Max Weber sagte in ‚Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus’: „Die Fähigkeit der Konzentration der Gedanken sowohl als die absolute zentrale Fähigkeit, sich der Arbeit gegenüber verpflichtet zu fühlen, finden sich hier besonders oft vereinigt mit strenger Wirtschaftlichkeit, (...). Der Boden für jene Auffassung der Arbeit als Selbstzweck, als „Beruf“ wie sie der Kapitalismus fordert, ist am günstigsten.“
Luther sagte, dass das Individuum in jedem Stande selig werden könne. Es sei also sinnlos auf die Art des Berufes Wert zu legen. Es gilt als Erfüllung der irdischen Pflicht, die Arbeit mit Fleiß auszuführen, zu der Gott den Menschen berufen hat.

Dem fügt sich nahtlos hinzu: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, ein Spruch, den ich aus meiner Kindheit kenne. Arbeit und Vergnügen schließen sich kategorisch aus. Blöd nur, wenn man dies als Glaubenssatz verinnerlicht hat und so sein Leben zu meistern versucht. Und für alle jene, die diesem Zustand huldigen, hat „Gott“ Ö3 erschaffen. Dort zählt man ab Montag die noch verbleibenden Tage bis zum Wochenende und bedauert alle (also ganz Österreich), die am Montag Früh den Weg ins Büro antreten. Oft im Stau, was ja nicht auf die AutofahrerInnen an sich zurückzuführen sei, sondern schlicht auf die Tatsache, dass der Alltag ein einziges Hindernis am freudvollen Leben ist.

Höchste Zeit, sich davon zu verabschieden. Ich kenne mehr und mehr Menschen, die sich dem entziehen (Ö3 und den Glaubenssätzen aus ihrer Kindheit). Arbeit darf Spaß machen. Und man darf seine Berufung zum Beruf machen. Damit das Leben in noch mehr Facetten auch wirklich Sinn ergibt.

„Wenn du nichts machen willst, dann musst du nicht“, sagte mein Sohn heute. Und schälte sich das Ei erstmals selbst.

14.11.14

Eine kleine Geschichte des Joghurts


Es war einmal eine Zeit, da konnte man zwischen exakt zwei fruchtigen Joghurtsorten wählen: das von den meisten geliebte Erdbeere, das oft eher geschmähte (und in meinem Umfeld von den Erwachsenen bevorzugte) Heidelbeere. Diese Joghurts kamen in einem eckigen Becher mit Rillen an den vier Seiten und die Deckel waren von einem Meer der darin enthaltenen Früchte bedeckt. Nömix. Die gemixte Milch aus Niederösterreich war damals in sämtlicher WaldviertlerInnen Munde. So auch in meinem.

Außer: Wir Kinder (meine Schwester und ich) gingen zu Frau Heißenberger zu Besuch, die ein paar Häuser weiter lebte und die ihr Fenster wie ein Schaufenster für die Zielgruppe Kinder gestaltet hatte. Unzählige Plastikfigürchen tummelten sich damals zwischen den Topfpflanzen und riefen: „Spiel mit mir!“ Als wir uns einmal die Nasen besonders plattgedrückt hatten, bat sie uns zu sich ins Haus und ließ uns mit den Figuren auf ihrem mit einem Plastiküberzug geschützten Küchentisch spielen. Zu trinken bot sie uns Wasser an; aus eben diesen bereits genannten, leer gegessenen und ausgewaschenen Joghurtbechern.

Mit Banane und Mandarine folgten die ersten exotischen Früchte und mit ihnen die Sehnsucht nach einem ewig währenden Sommer im Schwimmbad. Denn mit diesen Sorten beglückte uns unsere St. Pöltner Oma während der Ferien, was u.a. bedeutete: Zwei Wochen lang jeden Vormittag im Kaltbad der heutigen Landeshauptstadt. Egal, ob die Sonne schien oder nicht.

Und heute? Biegen sich die Kühlregale unter der Last der Joghurts in den Geschmacksrichtungen Vanille, Schokolade, Erdbeere, Mango-Maracuja, Heidelbeere, Zitrone etc. Längst dominiert nicht mehr Nömix die Kühlflächen meiner auserwählten Supermärkte in Wien.

Und so begab es sich, dass ich auf Twitter vor etwa einer Woche freudig „hier“ schrieb, als „Ja, natürlich“ zur Verkostung der neuen Biojoghurtsorten aufrief. An drei aufeinander folgenden Tagen ließ ich mir die neuen Sorten auf der Zunge zergehen. Nachdem ich sie mit meinem Mann halbe-halbe geteilt hatte, um auch sein Urteil mit einfließen zu lassen.

Beginnen wir mit Mohn: Es kommt als einziges in der 500g-Packung und hat einen Hauch von Orange im Nachgeschmack. Das nächste Mal werde ich es besser durchrühren, denn der obere Teil war etwas dünnflüssig. Nicht zu süß. Zu wenig Mohn für eine Waldviertlerin, die es gewohnt ist, sich durch mehrere Schichten fingerdicker Mohnfülle im Strudel zu beißen. Meinem Angetrauten war die Konsistenz etwas zu zäh: „Wie in deinem Ziegenjoghurt“. Ja, genau. So mag ich es!

Es folgte Zwetschke-Zimt: Hier sollte man wohl besser draufschreiben – „Bitte schüttel mich!“ Was ich nicht getan hatte und folglich einen Löffel voll saurem 1%-Joghurt im Mund hatte. Dann wurde mal kräftig gerührt, bevor die 50-50-Regelung mit meinem Mann erneut in Kraft trat. Genug Süße für das Saure. „Mir wäre es ohne Zimt lieber. Das Zimtige nimmt das Fruchtige weg“, sagte er. Nein, es ergänzt sich prächtig, finde ich, die lange Zeit vorzugsweise Joghurt natur mit Obst, Nüssen, Zimt und Trockenfrüchten zur morgendlichen Speise mischte. Und überhaupt: Es kann nie genug Zimt drin sein, wenn die Tage kürzer und kühler (von kälter lässt sich derzeit nicht reden) werden.

Zu guter Letzt, Latte Macchiato: Die Verkostung der in Joghurt getränkten Arabica-Bohnen erfolgte am Morgen (um nicht im Falle des Genusses zu späterer Stunde aufgrund einer potenziellen Koffeinüberdosis am ersehnten Nachtschlaf gehindert zu werden). „Das schmeckt wie das Kaffeejoghurt aus den 1980er-Jahren, aber überraschend intensiv nach Kaffee“, sagte mein Mann. Cremig, wie seine Vorgänger ebenso nicht zu süß. Aber für die tägliche Dosis Koffein am Morgen greife ich doch lieber zur Espressomaschine.

Mein Fazit zu den drei Neulingen unter den Biojoghurts:
Mohn kommt mir wieder in den Kühlschrank.
Zwetschke-Zimt ist optimal für Fru-Fru-Fans auf der Suche nach einem neuen Geschmack.
Cafe Latte hat wohl seine eigene Fangruppe.

Als ehemaliger Joghurt-Addict konsumiere ich laufend weniger davon. Der britische Porridge wies die Basis meines langjährigen Frühstücks in die Schranken. Wenn ich doch ab und zu uns Kühlregal greife, dann nehme ich meist ein Joghurt von der Ziege pur oder eines auf Sojabasis. Und wessen Produkte ich bei letzterem favorisiere, lasse ich jetzt einmal dahingestellt.