„Ich will, dass du musst“, forderte
mein Sohn mit zusammengezogenen Augenbrauen und ernster Miene, als ich mich
weigerte in ein weiteres Rollenspiel mit seinen Lego-Chima-Figuren
einzutauchen. Das Leben ist vom Müssen geprägt. Ich muss Geld verdienen, sonst
kann ich keine Miete zahlen, kein Essen kaufen. Ich muss regelmäßig zur
Zahnärztin, sonst drohen weitere Plomben, gerissene Zähne oder Schlimmeres. Ich
muss Wäsche waschen, damit alle in der Familie saubere Sachen zum Anziehen
haben. Ich muss kochen, putzen, Geschirr abwaschen. Meinen Sohn in den
Kindergarten bringen und wieder abholen. Klar, mein Mann und ich teilen uns die
Pflichten. Aber dann muss er. Muss man wirklich so vieles müssen? Oder wäre es
nicht einfach besser zu sagen: Ich darf. Ich darf im Biosupermarkt einkaufen,
der nur sieben Gehminuten entfernt ist.
„Dein Müssen und dein Mögen, die stehn sich oft entgegen. Drum ist
am besten, wenn du tust. Nicht, was du magst, nein, was du musst.“ Dieser Spruch steht in meinem Stammbuch. Scheinbar hat sich nicht
nur die Tinte in die Seite geprägt, sondern auch die Worte in mein Gedächtnis.
Es darf unter keinen Umständen leicht gehen. Es muss mühsam sein, keine Rede
von Genuss. – Und ich verrate jetzt nicht, wer diesen Satz geschrieben hat; in
ein Büchlein, das heute in der Form für Volksschulkinder gar nicht mehr
existiert. Anstelle der leeren Seiten sind es vorgedruckte, die nur noch mit
Stichworten befüllt und mit Fotos oder Pickerln beklebt werden müssen.
Kreativität fiele hier aus dem vorgegebenen Rahmen.
Zurück zum
Müssen und Mögen. Max Weber sagte in ‚Die protestantische Ethik und der „Geist“
des Kapitalismus’: „Die Fähigkeit der
Konzentration der Gedanken sowohl als die absolute zentrale Fähigkeit, sich der
Arbeit gegenüber verpflichtet zu fühlen, finden sich hier besonders oft
vereinigt mit strenger Wirtschaftlichkeit, (...). Der Boden für jene Auffassung
der Arbeit als Selbstzweck, als „Beruf“ wie sie der Kapitalismus fordert, ist
am günstigsten.“
Luther
sagte, dass das Individuum in jedem Stande selig werden könne. Es sei also
sinnlos auf die Art des Berufes Wert zu legen. Es gilt als Erfüllung der
irdischen Pflicht, die Arbeit mit Fleiß auszuführen, zu der Gott den Menschen
berufen hat.
Dem fügt
sich nahtlos hinzu: „Erst die Arbeit,
dann das Vergnügen“, ein Spruch, den ich aus meiner Kindheit kenne. Arbeit
und Vergnügen schließen sich kategorisch aus. Blöd nur, wenn man dies als
Glaubenssatz verinnerlicht hat und so sein Leben zu meistern versucht. Und für
alle jene, die diesem Zustand huldigen, hat „Gott“ Ö3 erschaffen. Dort zählt
man ab Montag die noch verbleibenden Tage bis zum Wochenende und bedauert alle
(also ganz Österreich), die am Montag Früh den Weg ins Büro antreten. Oft im
Stau, was ja nicht auf die AutofahrerInnen an sich zurückzuführen sei, sondern
schlicht auf die Tatsache, dass der Alltag ein einziges Hindernis am
freudvollen Leben ist.
Höchste
Zeit, sich davon zu verabschieden. Ich kenne mehr und mehr Menschen, die sich
dem entziehen (Ö3 und den Glaubenssätzen aus ihrer Kindheit). Arbeit darf Spaß
machen. Und man darf seine Berufung zum Beruf machen. Damit das Leben in noch
mehr Facetten auch wirklich Sinn ergibt.
„Wenn du nichts machen willst, dann musst du nicht“, sagte mein Sohn heute. Und schälte sich das Ei erstmals selbst.