Seit zwei
Jahren sitze ich täglich im Autobus. Obwohl ich mir nach dem Ende meiner
Schulzeit geschworen hatte, einen solchen nie wieder als Alltagsfahrzeug zu
benutzen.
Jeden
Morgen führt meinen Sohn und mich der Weg zum 74A, manchmal auch zum 4A. Wobei
ihm vor allem der 74A ans Herz gewachsen ist und er den Namen, den sein Papa
dem Bus gab, übernommen hat: Kugerl-Express, das ist familieninterne Synonym für
die Linie zwischen St. Marx und Stubentor. Wir fahren zwei Stationen, machen
beim Anker einen Zwischenstopp. Beim Bäcker genießt mein Sohn sein
Lieblingsfrühstück – Minis; fünf zum Preis von vier. Angeblich handelt es sich
um Topfenbällchen. Aber sie schmecken eher nach zu klein geratenen
Faschingskrapfen ohne Marmeladefülle.
In den 13
Jahren meiner Schulkarriere fuhr ich jeden Montag bis Samstag Autobus; 45
Minuten in eine Richtung. Von den unzähligen Fahrten erinnere ich mich vor
allem an jene, die mich nicht „nonstop“ von Neupölla nach Horn brachten: Der bei
minus 25 Grad (damals sogar im Waldviertel eine eher seltene Tiefsttemperatur) eingefrorene
Diesel bescherte mir im Winter 1986/87 eine versäumte
Rechnungswesen-Schularbeit.
Unser
Schulbus gehörte einem Privatunternehmen, das LKWs und Reisebusse durch die
Gegend lotste. Bei uns herrschten im Bus andere Regeln als in den Postbussen,
mit denen meine SchulkollegInnen nach ins Gymnasium oder in die Handelsakademie
fuhren. Jeder hatte seinen fixen Sitzplatz, den zu wechseln erst erfragt werden
musste (zumindest in der Volksschulzeit). Ordnung war für unsere Chauffeurin
das ganze Leben. Die Schultaschen mussten in den Kofferraum. Dass dieser während
der Fahrt aufsprang und sämtliche Schulsachen am Straßenrand lagen, kam nur
einmal vor.
Die Frau
des Transportunternehmers war härter im Nehmen als sämtliche Männer. Auch
gefrierender Regen konnte ihrem Fahrtwillen keinen Einhalt gebieten. Sie
durchquerte mit uns das Waldviertler Hügelland. Beim
Bremsen in der Haltestelle Klein Enzersdorf schlitterte der Bus gegen die
Dorfbrücke und hing zu gut einem Drittel über dem zum Glück nur zwei Meter
tiefen Abgrund.
An einem
anderen Wintertag fuhr sie mit uns auf einer mäßig gestreuten Serpentinenstraße
hinunter zum Kamptal. Damals kamen wir nicht bis nach Wegscheid. Die Räder des
Busses griffen nicht mehr, die Bremse ebenso wenig. So lenkte sie ihn zum Hang,
wo er seitlich im Graben hängend zu stehen kam. Wir mussten uns alle an eine
Seite setzen, um den Bus nicht aus dem Gleichgewicht und ins Rollen zu bringen,
als sie selbigen verließ, um ins nächste Dorf zu gehen und Hilfe zu holen. Wir
durften das Fahrzeug nicht verlassen. Sobald auch nur einer meiner
MitfahrerInnen aufstand oder sich ruckartig bewegte, zitterte der Bus. Damals
hat sich wahrscheinlich ein erstes weißes Haar auf meinem Kopf versteckt.
Doch nicht
nur Schulbus-Fahrten haben ihre Tücken: Auf der Rückfahrt unserer
Hochzeitsreise von der Insel Cres nach Rijeka kam der Linienbus auf einem Berghang zu
stehen. Der Keilriemen war gerissen. Hier durften die Mitfahrenden zumindest
aussteigen. Doch traute ich dem Frieden und den verständnislos blickenden
Männern nicht, die in Eigenregie den Motor reparieren wollten. Irgendwann kann
dann ein Ersatzbus, wir erwischten unseren Zug und ich hatte wieder ein weißes
Haar mehr.
Meinem Sohn
bleiben abenteuerliche Busfahrten erspart. Noch. Denn irgendwann, so lautet der
Plan, werden wir wieder aufs Land ziehen. Dann wird wohl auch er mit dem Bus
zur Schule fahren dürfen. Ausgestattet mit dem Urvertrauen in die Busse
der Wiener Linien wird ihn ein auf der Strecke gebliebener Bus wohl wenig
erschüttern.