19.12.14

Mein Busfahr-Trauma


Seit zwei Jahren sitze ich täglich im Autobus. Obwohl ich mir nach dem Ende meiner Schulzeit geschworen hatte, einen solchen nie wieder als Alltagsfahrzeug zu benutzen.

Jeden Morgen führt meinen Sohn und mich der Weg zum 74A, manchmal auch zum 4A. Wobei ihm vor allem der 74A ans Herz gewachsen ist und er den Namen, den sein Papa dem Bus gab, übernommen hat: Kugerl-Express, das ist familieninterne Synonym für die Linie zwischen St. Marx und Stubentor. Wir fahren zwei Stationen, machen beim Anker einen Zwischenstopp. Beim Bäcker genießt mein Sohn sein Lieblingsfrühstück – Minis; fünf zum Preis von vier. Angeblich handelt es sich um Topfenbällchen. Aber sie schmecken eher nach zu klein geratenen Faschingskrapfen ohne Marmeladefülle.

In den 13 Jahren meiner Schulkarriere fuhr ich jeden Montag bis Samstag Autobus; 45 Minuten in eine Richtung. Von den unzähligen Fahrten erinnere ich mich vor allem an jene, die mich nicht „nonstop“ von Neupölla nach Horn brachten: Der bei minus 25 Grad (damals sogar im Waldviertel eine eher seltene Tiefsttemperatur) eingefrorene Diesel bescherte mir im Winter 1986/87 eine versäumte Rechnungswesen-Schularbeit.

Unser Schulbus gehörte einem Privatunternehmen, das LKWs und Reisebusse durch die Gegend lotste. Bei uns herrschten im Bus andere Regeln als in den Postbussen, mit denen meine SchulkollegInnen nach ins Gymnasium oder in die Handelsakademie fuhren. Jeder hatte seinen fixen Sitzplatz, den zu wechseln erst erfragt werden musste (zumindest in der Volksschulzeit). Ordnung war für unsere Chauffeurin das ganze Leben. Die Schultaschen mussten in den Kofferraum. Dass dieser während der Fahrt aufsprang und sämtliche Schulsachen am Straßenrand lagen, kam nur einmal vor.

Die Frau des Transportunternehmers war härter im Nehmen als sämtliche Männer. Auch gefrierender Regen konnte ihrem Fahrtwillen keinen Einhalt gebieten. Sie durchquerte mit uns das Waldviertler Hügelland. Beim Bremsen in der Haltestelle Klein Enzersdorf schlitterte der Bus gegen die Dorfbrücke und hing zu gut einem Drittel über dem zum Glück nur zwei Meter tiefen Abgrund.

An einem anderen Wintertag fuhr sie mit uns auf einer mäßig gestreuten Serpentinenstraße hinunter zum Kamptal. Damals kamen wir nicht bis nach Wegscheid. Die Räder des Busses griffen nicht mehr, die Bremse ebenso wenig. So lenkte sie ihn zum Hang, wo er seitlich im Graben hängend zu stehen kam. Wir mussten uns alle an eine Seite setzen, um den Bus nicht aus dem Gleichgewicht und ins Rollen zu bringen, als sie selbigen verließ, um ins nächste Dorf zu gehen und Hilfe zu holen. Wir durften das Fahrzeug nicht verlassen. Sobald auch nur einer meiner MitfahrerInnen aufstand oder sich ruckartig bewegte, zitterte der Bus. Damals hat sich wahrscheinlich ein erstes weißes Haar auf meinem Kopf versteckt.

Doch nicht nur Schulbus-Fahrten haben ihre Tücken: Auf der Rückfahrt unserer Hochzeitsreise von der Insel Cres nach Rijeka kam der Linienbus auf einem Berghang zu stehen. Der Keilriemen war gerissen. Hier durften die Mitfahrenden zumindest aussteigen. Doch traute ich dem Frieden und den verständnislos blickenden Männern nicht, die in Eigenregie den Motor reparieren wollten. Irgendwann kann dann ein Ersatzbus, wir erwischten unseren Zug und ich hatte wieder ein weißes Haar mehr.

Meinem Sohn bleiben abenteuerliche Busfahrten erspart. Noch. Denn irgendwann, so lautet der Plan, werden wir wieder aufs Land ziehen. Dann wird wohl auch er mit dem Bus zur Schule fahren dürfen. Ausgestattet mit dem Urvertrauen in die Busse der Wiener Linien wird ihn ein auf der Strecke gebliebener Bus wohl wenig erschüttern.