09.04.16

Senf ist meine Marmelade

Samstag war Würsteltag. Frankfurter mit Semmel und Senf. Gefühlt jeder zweite Samstag – also fast immer – war es das Familienmahl meiner Kindheit am Abend. An vielen anderen Samstagen gab es Schweineschwarte; vor allem dann, wenn der Nachbar gerade wieder mal ein Schwein geschlachtet hatte.

Es war zu jener Zeit, als ich VegetarierInnen nicht einmal vom Hörensagen kannte. Und Senf traditionell nur zu Fleisch und Wurst gereicht wurde. Ketchup war bei uns ein Luxusgut, das sich weder im Kühlschrank noch in der Speisekammer fand. Der Mayonnaise erging es ähnlich. Sie fand keine Heimat im Haus meiner Eltern. Also aßen wir die Würstel mit Estragon oder Kremser Senf. Zweiter war mir damals schon nicht geheuer und ist es bis heute nicht. Daran sind nicht die vielen Pünktchen im Senf Schuld. Es ist der süßliche Geschmack, der mich irritiert.

In Wien wurde ich zur Vegetarierin. Doch was macht man mit Senf ohne Würstel; vor allem, wenn man Tofuwürstel aus Prinzip verweigert? Und der Senf sich auf gegrillten Tomaten oder Zucchini oder Tofu nicht sonderlich gut als Begleitung macht? Nichts. Ihn einfach vom Speiseplan verbannen.

Bis ich bei einer Freundin einen Salat aß, dessen Marinade mich über die Maßen faszinierte. „Was ist da drin?“ – Sie sagte: „Salz, Pfeffer, Olivenöl, Balsamicosessig, ...“ Ich dachte: So weit, so bekannt. „...und Senf“, sagte sie weiter. „Aha.“ Und damit war mein Lieblingsdressing geboren. Den Pfeffer ersetzte ich irgendwann durch Galgant. Seither liegt immer eine Tube Estragon Senf im Kühlschrank. Der lässt sich bei Heißhunger auf Würziges hervorragend naschen, falls sonst gerade nichts zu Hause ist. Wahlweise mit oder ohne Brot, wovon eigentlich immer ein Stück in der Brotlade liegt. Soviel zum Nutzen von Senf bei sich vegetarisch ernährenden Menschen.

Hingegen schienen Senf und bio lange ein Widerspruch zu sein. Und dann brachte „Ja, natürlich“ einen im Glas auf den Markt. Den musste ich probieren: Auf einen kleinen Espresso-Teller quetschte ich den Rest der Estragontube, auf einen zweiten platzierte ich einen gegupften Löffel vom Biosenf. Ein Unterschied war gleich sichtbar. Der Tubensenf wirkte weicher und flüssiger, der Biosenf etwas fester.

Beim Kosten war mir rasch klar, dass ich wohl kein Fan des Biosenfs werde. Viel zu süß. Und die Konsistenz auf der Zunge erinnerte eher an Mayonnaiseaufstrich. Die Schärfe ist nur angedeutet und verliert sich rasch völlig. Als ich die Liste der Zutaten überflog, blieben meine Augen beim Zucker hängen. Wozu Zucker in einem Senf? Das ist ja kein Ketchup. Ich fand heraus, dass auch im Estragon Zucker drinnen ist – allerdings etwa nur die Hälfte der Menge im Vergleich zum Biosenf. Noch gab ich nicht auf. Ich verwendete einen großzügig befüllten Löffel für mein Salatdressing. Hier schmeckte ich fast keinen Unterschied. Dennoch war das Dressing süßer als gewohnt.

Ich ließ dann auch eine Freundin die Probe aufs Exempel machen. Nicht, weil ich meinem Urteil nicht vertraue, sondern weil ich – wie auch in anderen Fällen – gerne noch eine zweite Meinung habe. „Das riecht wie der Gurke-Ei-Aufstrich vom unaussprechlichen Brötchenschmierer. Auch ihr fehlte die erwartete Schärfe eines Estragonsenfs. „Wenn ich den zu Würsten esse, brauche ich noch Kren dazu“, lautete ihr Kommentar. Mein Mann fand ihn zu fettig. „Der schmeckt wie eine Mayonnaise.“ Auch ihm war er zu süß für einen Estragonsenf. Unser Fünfjähriger verweigerte das Kosten – wie bei jedem anderen Senf und prinzipiell fast allem, das wie Gemüse aussieht und schmeckt.

Mein Fazit: Der Biosenf von „Ja, natürlich“ wird sich nicht in die Palette meiner Lieblingsprodukte dieser Biolinie einreihen. Die mayonnaise-artige Konsistenz und der viele Zucker sind nicht das, was ich mir von einem Senf erwarte. Schade, denn eigentlich hatte mich auf einen Biosenf schon lang gefreut.