03.08.17

Kein Sommer wie damals

„Die Hitze der Stadt ist im Sommer brutal. Weil man fürchterlich matt ist, wird das Leben zur Qual.“
Was Rainhard Fendrich anno 1982 sang, war für mich nur bedingt nachvollziehbar – zumindest, so lange ich im Waldviertel lebte. Damals hieß es noch: Es gibt maximal zwei eisfreie Tage dort oben. Und die waren sicher nicht im August. Denn ab August hieß es spätestens am Abend: Jeans aus dem Kasten holen und einen Pullover mitnehmen. Es wird „huschi“.

Doch zurück zur Qual: Bis ich fünfzehn oder sechzehn war, fuhr ich jeden Sommer für zwei Wochen zur Oma nach St. Pölten. Es war an ihrem Küchentisch, wo ich den Liedtext nach und nach auf einem Blatt Papier vervollständigte – aufmerksam mithörend, wenn das Lied wieder auf Ö3 lief. Und das alles, um den damaligen Sommerhit laut mitträllern zu können.

St. Pölten ist zwar nicht Wien. Aber für eine geborene Waldviertlerin spürte sich die Stadt an manchen Tagen und besonders manchen Nächten unerträglich heiß an. Meines Wissens kratzte das Thermometer jedoch nur äußerst selten an der 30-Grad-Marke. Omas Wohnung hatte zwei Zimmer, eine Küche, ein Bad und eine Toilette. Das Schlafzimmer teilten wir uns in jenen Tagen zu viert: meine Oma, mein Onkel, meine Schwester und ich. Zwar waren beide Fenster geöffnet, doch wie in großen Städten und ihren Innenstädten üblich, kühlte es dank des vielen Betons uns Asphalts nur bedingt ab. Das ist in Wien dieser Tage nicht anders. Mit dem Unterschied, dass die Außentemperaturen derzeit weit über 30 Grad liegen und sich unsere Wohnung bereits auf 28 Grad erhitzt hat. Dazu kommen in den 1980er-Jahren noch unbekannte Tropennächte hinzu. In solchen Nächten sinkt die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad Celsius, sondern bleibt oft noch deutlich darüber.

„Darum strömen die Blassen zu den städtischen Kassen, denn die Frische, die hat man nur in einem Bad“, sang Fendrich weiter. Damals fuhren wir mit meinem Onkel an jedem regenfreien Tag ins Kaltbad. Ich erinnere mich noch gut an die Tage, an denen ich mit meiner Schwester unseren Mut erprobte. Wenn es ein Wettkampf gewesen wäre, hätte sie eindeutig gewonnen. Der erste Sprung ins Wasser war vom Ein-Meter-Brett, der nächste dann vom Drei-Meter-Brett. Eine Herausforderung, der ich mich erst nach viel inneren Monologen, die mir Mut zusprachen, stellte. Und als ich ein paar Mal von dort gesprungen war, wagte ich mich gemeinsam mit ihr auch an das Fünf-Meter-Brett. Ich stand damals eine gefühlte Ewigkeit oben, bis ich endlich sprang. Einmal und nie wieder – glaube ich mich zu erinnern. Meine Schmerzgrenze war schon bei drei Metern erreicht gewesen. Den um zwei Meter höher gelegenen Kick brauchte ich nicht unbedingt.

Einmal und nie wieder – das würde ich auch gerne zu den immer häufiger werdenden Tagen mit mehr als 30 Grad in Wien sagen. Als ich vor 27 Jahren hierher zog, gab es Temperaturen über 30 Grad im Sommer nur äußerst selten. Einmal und nie wieder soll es 30 Grad in der eigenen Wohnung haben. 2015 hatten wir diese magische Grenze erreicht. Heuer sind wir noch zwei Grad drunter – noch.

Doch so lange weiterhin CO2 in die Luft „gepumpt“ wird, kann sich an der Lage der StädterInnen nichts ändern. Je mittiger sie wohnen, desto heißer. Ein Altbau ohne Wärmeisolierung oder Dachdämmung heizt zusätzlich ein. Werden die CO2-Emissionen nicht reduziert, setzt sich der Klimawandel ungebremst fort. Und dann wird es laut ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) zwischen 2021 und 2050 in Wien 19,3 Hitzetage geben. Und zwischen 2071 und 2100 könnten es bereits 41 werden. Da wird unser Sohn an die sechzig Jahr alt sein.
So kam es, dass ich heute freiwillig in ein Einkaufszentrum flüchtete, um mich abzukühlen. Wohl wissend, dass Klimaanlagen in Einkaufszentren, Geschäften und vermehrt auch in Wohnungen die Luft erst recht aufheizen – ein Teufelskreis.

2015 habe ich mir geschworen: „Ich will keinen derart heißen Sommer mehr in Wien verbringen müssen.“ – Mein Fazit heute: Ich werde mich wieder engagieren, um die Auswirkungen des Klimawandels zu dämmen. Wie und wo wird sich noch zeigen. Der erste Anfang ist seit Jahren gemacht: Verzicht auf ein Auto, lieber Bahn als Flugzeug. Ist das genug? Wenn noch mehr Menschen ihre Wege so gehen bzw. fahren würden, wäre das sicher positiv. Selbst wenn das natürlich nur ein Tropfen auf den viel zitierten heißen Stein ist. Vertikale Begrünung in Städten und ausschließlich Elektroautos auf den Straßen sind hoffentlich bald Realität und nicht nur mein Wunschtraum.

Jedenfalls will ich nicht tatenlos zusehen und unserem 6-Jährigen noch weitere Hitzerekorde erleben lassen müssen. Die aktuellen heißen Tage genießt er bei den Großeltern im Waldviertel.
Seine Generation soll nicht sagen: „Ihr habt es ja gewusst. Warum habt ihr nichts dagegen gemacht?“