Letzten
Herbst war es eine Tour durch den Westen der USA – Salt Lake City, Las Vegas,
San Francisco, San Diego, Grand Canyon und sämtliche Nationalparks; Yosemite um
nur einen zu nennen.
Heute
Samstag fliegen sie nach St. Petersburg. Sie, das sind meine Eltern in ihrer Pension,
die nach dem Ausstieg aus dem Unternehmen ihr Leben genießen.
Kein
Wunder. Sie hatten in meinem Alter sicher 60- und mehr-Stundenwochen. Viele
Jahre lang. Und ich rede da nicht unbedingt von den unzähligen Feuerwehrfesten,
Sportlerbällen, Dorfkirtagen und anderen Kränzchen, zu denen sie mehr gehen
mussten als wollten. Aber es war sicher nicht nur geschäftliche
„Verpflichtung“, die sie dazu antrieb, Nächte durchzutanzen und um Mitternacht
ein Schnitzel im gastgebenden Wirtshaus zu essen.
Fast könnte
ich sagen: Als Kind kannte ich meinen Papa nur von Fotos. Okay, das ist ein
wenig übertrieben. Aber meist sah ich ihn tatsächlich nur am Wochenende. Unter
der Woche war er am Abend oft noch „auf einer Störung“. Sprich: Die Waschmaschine
beim Müller funktionierte nicht oder ein Geschirrspüler spülte das Wasser nach
außen statt innen und dergleichen mehr. Einen Gute-Nacht-Kuss von ihm bekamen
meine Geschwister und ich in Kleinkindertagen eher selten. Es gab auch Weihnachtstage,
an denen das Telefon läutete und irgendwo dringend ein Fernseher repariert
werden musste. Denn Weihnachtsfeiertage ohne Fernseher, das hätte den Haussegen
mancher Familie zwei Dörfer weiter sicher schief hängen lassen. Mit ähnlichen
Folgen wie heute einem Jugendlichen das iphone für ein paar Tage zu
konfiszieren.
Auch
aufgrund seiner vielen Abwesenheit hat er es geschafft, ein gut gehendes
Unternehmen aufzubauen. Etwas, an dem ich mich dieser Tage auch versuche und
feststelle, dass es sehr zeitintensiv ist. Urlaub ist in diesem Sommer also
eher ein Wunschdenken.
Wie meine
Eltern parallel zum Unternehmerdasein drei (16 Jahre nach meiner Geburt waren
es dann sogar vier) Kinder großzogen, Haus gebaut und Garten angelegt haben und
auf Urlaub fuhren, ist mir ein Rätsel. Es ging sicher nicht um Geld sparen,
dass sie uns zu Hause bei meiner Oma ließen, die extra aus St. Pölten anreiste
und die jedes Jahr in den rauen Waldviertler Sommern ihre Stimme verlor. Es war
eher eine Sache von: Wir brauchen mal Pause, von allem.
Reich waren
und sind sie auch heute nicht. Dennoch ging und geht es sich finanziell immer
aus, wie sie betonen. Ihr Leitspruch: „Es wird a Göd sei, und wir wern nimma
sei“ hat sie auch mutig Investitionen tätigen lassen, vor denen ich mit zu viel
Nachdenken jedes Mal aufs Neue zurückschrecke.
Nach fünf
Jahren bei ifub (Institut für Familien und Betriebe) weiß ich auch, dass sie
eher die Ausnahme denn die Regel von Übergebern in einem Familienbetrieb sind.
Loslassen ist oft leichter gesagt als getan. Und es kostete auch meinen Papa
einiges an Überwindung die Abstände zwischen den Tagen, an denen er nach Horn
ins Geschäft fuhr zu verlängern. Einige Zeit lang hatte er sogar noch einen
Schreibtisch im neuen Büro. Mittlerweile ist auch der – schätze ich – neu
besetzt. Denn seit dem Um- und Ausbau durch meinen Onkel habe ich erst einmal
einen Fuß über die Türschwelle gesetzt. Damals mit Baby im Arm und durchaus mit
Bewunderung, was mein Onkel da geplant hatte und umzusetzen gedachte.
Und wenn
meine Eltern Anfang Juni wieder in Schwechat landen, werden sie einen kurzen
Zwischenstopp in ihrem Haus machen, um dann erneut wegzufahren. Diesmal nach
Prag; diesmal mit mir / uns.
Diese "Flöhe
im Popo" habe ich wohl von ihnen geerbt. Wenn ich länger als drei Monate am
selben Fleck sein muss, werde ich unausgeglichen. Dabei habe ich meine gesamte
Kindheit ohne Urlaub in Bibione, Caorle und Co. verbracht. Mit 17 war ich
erstmals im Flugzeug quasi allein unterwegs. Es war „nur“ Manchester. Seither
zieht es mich regelmäßig fort von daheim.
Und wenn
ich wegfahre, ist der Kleine dabei. So durfte er mit 2 ½ Monaten schon seinen
Horizont bis Horitschon erweitern. Mit 2 ½ Jahren fuhr er mit mir (und meinen
Eltern) per Auto via Aschaffenburg, Brügge und Portsmouth in vier Tagen – nicht
um die Welt, jedoch – bis nach Hayle. Dort lebt meine Schwester; quasi einen
Steinschlag von St. Ives entfernt.
Meine
Eltern zeigen jedenfalls, dass Unternehmer zu sein, nicht zwangsläufig
bedeutet, ständig selbst zu arbeiten – auch wenn sie in der Anfangsphase sicher
viel ihrer Lebenszeit in ihr Geschäft gesteckt haben. Heute bereisen sie jene
Plätze der Welt, die sie noch sehen wollen.
Und ich?
Ich werde meinen Sohn auf Urlaub mitnehmen. Kann gut sein, dass er dann in
seinen Online-Memoiren schreibt, dass es wohl besser gewesen wäre, ich hätte
ihn daheim gelassen bei Oma und Opa...