23.05.15

Vom Arbeiten und Urlauben


Letzten Herbst war es eine Tour durch den Westen der USA – Salt Lake City, Las Vegas, San Francisco, San Diego, Grand Canyon und sämtliche Nationalparks; Yosemite um nur einen zu nennen.
Heute Samstag fliegen sie nach St. Petersburg. Sie, das sind meine Eltern in ihrer Pension, die nach dem Ausstieg aus dem Unternehmen ihr Leben genießen.

Kein Wunder. Sie hatten in meinem Alter sicher 60- und mehr-Stundenwochen. Viele Jahre lang. Und ich rede da nicht unbedingt von den unzähligen Feuerwehrfesten, Sportlerbällen, Dorfkirtagen und anderen Kränzchen, zu denen sie mehr gehen mussten als wollten. Aber es war sicher nicht nur geschäftliche „Verpflichtung“, die sie dazu antrieb, Nächte durchzutanzen und um Mitternacht ein Schnitzel im gastgebenden Wirtshaus zu essen.

Fast könnte ich sagen: Als Kind kannte ich meinen Papa nur von Fotos. Okay, das ist ein wenig übertrieben. Aber meist sah ich ihn tatsächlich nur am Wochenende. Unter der Woche war er am Abend oft noch „auf einer Störung“. Sprich: Die Waschmaschine beim Müller funktionierte nicht oder ein Geschirrspüler spülte das Wasser nach außen statt innen und dergleichen mehr. Einen Gute-Nacht-Kuss von ihm bekamen meine Geschwister und ich in Kleinkindertagen eher selten. Es gab auch Weihnachtstage, an denen das Telefon läutete und irgendwo dringend ein Fernseher repariert werden musste. Denn Weihnachtsfeiertage ohne Fernseher, das hätte den Haussegen mancher Familie zwei Dörfer weiter sicher schief hängen lassen. Mit ähnlichen Folgen wie heute einem Jugendlichen das iphone für ein paar Tage zu konfiszieren.

Auch aufgrund seiner vielen Abwesenheit hat er es geschafft, ein gut gehendes Unternehmen aufzubauen. Etwas, an dem ich mich dieser Tage auch versuche und feststelle, dass es sehr zeitintensiv ist. Urlaub ist in diesem Sommer also eher ein Wunschdenken.

Wie meine Eltern parallel zum Unternehmerdasein drei (16 Jahre nach meiner Geburt waren es dann sogar vier) Kinder großzogen, Haus gebaut und Garten angelegt haben und auf Urlaub fuhren, ist mir ein Rätsel. Es ging sicher nicht um Geld sparen, dass sie uns zu Hause bei meiner Oma ließen, die extra aus St. Pölten anreiste und die jedes Jahr in den rauen Waldviertler Sommern ihre Stimme verlor. Es war eher eine Sache von: Wir brauchen mal Pause, von allem.

Reich waren und sind sie auch heute nicht. Dennoch ging und geht es sich finanziell immer aus, wie sie betonen. Ihr Leitspruch: „Es wird a Göd sei, und wir wern nimma sei“ hat sie auch mutig Investitionen tätigen lassen, vor denen ich mit zu viel Nachdenken jedes Mal aufs Neue zurückschrecke.

Nach fünf Jahren bei ifub (Institut für Familien und Betriebe) weiß ich auch, dass sie eher die Ausnahme denn die Regel von Übergebern in einem Familienbetrieb sind. Loslassen ist oft leichter gesagt als getan. Und es kostete auch meinen Papa einiges an Überwindung die Abstände zwischen den Tagen, an denen er nach Horn ins Geschäft fuhr zu verlängern. Einige Zeit lang hatte er sogar noch einen Schreibtisch im neuen Büro. Mittlerweile ist auch der – schätze ich – neu besetzt. Denn seit dem Um- und Ausbau durch meinen Onkel habe ich erst einmal einen Fuß über die Türschwelle gesetzt. Damals mit Baby im Arm und durchaus mit Bewunderung, was mein Onkel da geplant hatte und umzusetzen gedachte.

Und wenn meine Eltern Anfang Juni wieder in Schwechat landen, werden sie einen kurzen Zwischenstopp in ihrem Haus machen, um dann erneut wegzufahren. Diesmal nach Prag; diesmal mit mir / uns.

Diese "Flöhe im Popo" habe ich wohl von ihnen geerbt. Wenn ich länger als drei Monate am selben Fleck sein muss, werde ich unausgeglichen. Dabei habe ich meine gesamte Kindheit ohne Urlaub in Bibione, Caorle und Co. verbracht. Mit 17 war ich erstmals im Flugzeug quasi allein unterwegs. Es war „nur“ Manchester. Seither zieht es mich regelmäßig fort von daheim.

Und wenn ich wegfahre, ist der Kleine dabei. So durfte er mit 2 ½ Monaten schon seinen Horizont bis Horitschon erweitern. Mit 2 ½ Jahren fuhr er mit mir (und meinen Eltern) per Auto via Aschaffenburg, Brügge und Portsmouth in vier Tagen – nicht um die Welt, jedoch – bis nach Hayle. Dort lebt meine Schwester; quasi einen Steinschlag von St. Ives entfernt.

Meine Eltern zeigen jedenfalls, dass Unternehmer zu sein, nicht zwangsläufig bedeutet, ständig selbst zu arbeiten – auch wenn sie in der Anfangsphase sicher viel ihrer Lebenszeit in ihr Geschäft gesteckt haben. Heute bereisen sie jene Plätze der Welt, die sie noch sehen wollen.

Und ich? Ich werde meinen Sohn auf Urlaub mitnehmen. Kann gut sein, dass er dann in seinen Online-Memoiren schreibt, dass es wohl besser gewesen wäre, ich hätte ihn daheim gelassen bei Oma und Opa...

1 Kommentar:

  1. Oh liest sich das gut. Und ein bisschen werden meine Augen glasrig. Was wird wohl mein eigener Sohn - nach meiner mittlerweilen 23jährigen Selbstständigkeit - davon sagen, dass er schon als Baby auf all meinen Aus- und Weiterbildungen und Seminaren dabei sein durfte und jetzt eines dieser oben beschriebenen Unternehmerkinder ist ... na ja er ist 17 - und ist mittlerweile wohl froh, wenn ich Seminar oder Familienworkshops habe. Danke jedenfalls für dieses vortreffliche Beispiel!

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