Meine Zeit
beim SV Pölla begann mit dem „Steine klauben“ am Fußballplatz; besser gesagt: jener
Wiese, die zu einem solchen werden sollte. Ich war erst in der Volksschule. Unzählige
Menschen versammelten sich auf dem Spielfeld in spe und bildeten eine Reihe.
Dann wurde akribisch jeder größere und kleinere Stein in einen Kübel geworfen.
Den vollen Kübel brachten die Erwachsenen zu einer Scheibtruhe, deren Inhalt
auf einen großen Steinhaufen geleert wurde. Das war meine erste Etappe im
relativ neu geborenen Fußballverein.
Im Alter
von 17 oder 18 wurde ich erstmals freiwillig zum Bardienst bei diversen Festen
oder Bällen abkommandiert. Freiwillig deshalb, denn beim ersten damals
stattgefundenen Feuerwehrheurigen wagte ich es, in die Rolle einer Kellnerin zu
schlüpfen. Ich trug Grillhendl, Bratwürstel, Bierkrüge, G’spritze und Almudler
für die Kinder durch die Halle eines landwirtschaftlichen Fuhrparks.
Mähdrescher, Traktor, Pflug und andere Geräte mussten während der Festtage im
Freien parken. Welcher Tisch war das noch gleich, wo die fünf Hendln
hingehörten? Mir schwirrte ziemlich rasch der Kopf. Mit einem Fehlbetrag von
500 Schilling in meiner Kellner-Brieftasche beendete ich meinen Ausflug ins
Land der Gastronomie. Mein gesamtes Trinkgeld ging für den Ausgleich drauf.
Das
passierte mir in der Schnaps-Bar nie. Die Trinkwütigen kamen zu uns – meiner
Schwester, ihrem damaligen Freund und mir. Wir spielten Beach Boys und mischten
Getränke in großem Stil: Wieviel Tequila Sunrise passt in ein Wasserschaffel?
Wir hatten die richtige Liter-Menge an Tequila, Orangensaft, Grenadine und
Zitronensaft im Kopf. Das selbe taten wir mit Erdbeer-Bowle oder anderen damals
hoch im Kurs der trinkenden Jugend stehenden Mixgetränke. Red Bull mit rotem
Wodka kam später, da hatte ich längst schon jeden Dienst rund um den Alkohol
und dessen Ausschank quittiert. Auch weil es mir irgendwann zu mühsam war, den
letzten jungen und alten Säufern – es waren immer Männer – um vier Uhr morgens
beim Lamentieren über ihr verlorenes Liebesglück zu lauschen. Ja, beim ersten
oder zweiten Mal war es noch witzig. Doch blieben über die Jahre stets die
gleichen Rest-Gäste in der Schnapsbar hängen. Und ich kannte die jeweilige
Lebens- und Leidensgeschichte schon in- und auswändig.
Am Land
kommt man natürlich nicht an der Kirche vorbei. Zumal wir gleich gegenüber wohnten.
Die Glocke vom Turm gibt auch heute noch zu jeder viertel Stunde mindestens
einen Schlag von sich. Wir – meine Schwester und ich – mussten jeden Sonntag in
die Kirche gehen. „Wenn du fortgehen kannst, kannst du am nächsten Tag auch
aufstehen“, lautete die allgemein gültige Erklärung in unserer Familie für den
obligatorischen Besuch der um ¼ 10 Uhr beginnenden Messe. In meinen
Teenagerjahren tat ich mich mit anderen Mädels aus dem Dorf zusammen, um ein
„ernstes“ Wort mit unserem Pfarrer zu reden. Zwar weigerte er sich, uns
Ministrantinnen werden zu lassen, aber für Lesung und Fürbitten lesen durften
wir an die kleine Kanzel nach vorne gehen und das Wort Gottes über Mikrofon zum
Besten geben. Durch meinen Umzug nach Wien mit Anfang zwanzig haben sich all
diese Engagements nach und nach von selbst erledigt.
Im
Waldviertel gehört das Vereinsleben zum Alltag; ist es selbstverständlich –
zumindest war es das in unserer Familie – überall Mitglied zu sein und auch mit
anzupacken. Dieser sanfte Druck lässt dich unzählige Gläser abwaschen, Böden
kehren, Tische reinigen, aufstellen und abbauen, Verlängerungskabel
organisieren, Getränkekisten schleppen, Großeinkäufe erledigen usw.
In der
Großstadt ist das anders: Alles steht und fällt mit dem eigenen Engagement. Dem
Mut, über eine fremde Türschwelle zu treten und mit anfangs noch Fremden auf
freiwilliger Basis gemeinsame Sache zu machen. Diesen Samstag werde ich
erstmals in das Vereinsleben in Wien hineinschnuppern. Ich bin eingeladen,
Rechnungsprüferin vom Kulturverein „doppelpass“ zu werden. Als ehemalige
Hobby-Fußballerin und engagierte Privat-Schreiberin könnte das eine spannende
Erfahrung werden, die ich in Wien bislang links liegen gelassen habe.