Am 20. März
1990 wusste ich (noch) nicht, dass ich kam um zu bleiben. Meine Zeit als Bewohnerin
von und Arbeitnehmerin in Wien trug damals ein internes Ablaufdatum. Ich war
überzeugt, in zwei bis drei Jahren würde Wien Geschichte sein. Zwar träumte ich
nicht von Mann, Haus, Kind und Hund (weder in dieser noch in einer anderen
Reihenfolge), doch sah ich mich viele Jahre nicht als Wienerin, weder als
werdende und schon gar nicht als seiende.
Ich
pendelte jedes Wochenende. Trug meine Reisetasche mit der ungewaschenen Kleidung
vom Bahnhof zum Hauptplatz in Horn. Wartete dort im Geschäft bzw. Büro meiner
Familie auf die „Sperrstunde“ um 18 Uhr, um mit meinem Papa in meinen Heimatort
zu fahren. Im Frühling/Sommer/Herbst stieg ich meist nach dem Abendessen an den
Freitagen noch aufs Rad und fuhr eine große Runde; um frische Luft zu atmen,
die Weite zu sehen und mich mehr oder weniger wieder zu erden. Sonntag
Nachmittag begann die Wehmut, diesen Ort wieder zu verlassen und gegen eine
winzige Ein-Zimmer-Wohnung in der Nähe des ehemaligen Südbahnhofs zu tauschen.
Oft fuhr ich mit dem ersten Bus Montag Früh – was bedeutete, dass ich um etwa
vier Uhr aufstehen musste – nach Horn und stieg dort in den Bus nach Wien-Mitte.
Der damals sehr frequentierte Busbahnhof ist heute eine Einkaufsmall mit
Anbindung zum Flughafen.
Ich zog das
durch bis ins Jahr 1994. Damals hatte ich bereits meinen vierten Job und lebte
in einer Haus-Wohngemeinschaft in Langenzersdorf; zusammen mit einer Deutschen,
einem Türken, einer Polin und einem Banghalesen. Eine von ihnen fragte mich
damals ganz offen, ob ich das Spiel ewig so weiterspielen wolle. Eigentlich
nicht. Denn nichts war Fisch oder Fleisch. Weder die Zeit in Wien noch jene im
Waldviertel. Die Freunde von draußen wurden mir von Monat zu Monat fremder. Und
die neuen Freunde in Wien? Mit ihnen teilte ich nur die Alltagswoche, nicht
jedoch die Freizeit. Und so kam es, dass sich ab Langenzersdorf die Abstände
zwischen den Wochenenden verlängerten. Mein Dasein wurde klarer.
Wenn ich
heute ab und zu mit meiner beruflichen Situation hadere, kommen mir Papas Worte
ins Ohr: „Wärst du da geblieben, dann wärst du schon Prokuristin in der
Volksbank.“ Ohne Zweifel. Und doch bin ich froh, dass ich mich für mein eher
unstetes (Berufs)Leben in Wien entschieden habe. Auch wenn mir unser Sohn
mittlerweile manchmal in den Ohren liegt: „Mama, wieso haben wir kein Haus?“ –
Was ich dann nicht antworte: „Weil du das ziemlich sicher in nur wenigen Jahren
bereuen würdest und dir mit spätestens fünfzehn die viel zitierte Decke auf den
Kopf fallen wird.“
Und
dennoch: Das letzte Wort zum Thema „Stadt-Land“ ist noch nicht gesprochen. Mein
Mann und ich überlegen tatsächlich die Landflucht. Nicht, weil wir das Leben in
Wien nicht schätzen. Aber bei dem ohnehin anstehenden Wohnortwechsel wollen wir
keine halben Sachen mehr machen oder faule Kompromisse eingehen. Und manchmal
träumen wir vom Selbstversorgen und Selbständigsein draußen in einem Häuschen
am Land – gute Internetverbindung vorausgesetzt.
Ob ich am
20. März 2020 meine 30 Jahre Wien feiern werde? Schwer zu sagen. Die Chancen
stehen 50:50. Wetten werden gern entgegengenommen.
Liebe Marion, schön immer wieder was Neues von dir und über dich in deinem Blog zu erfahren. Danke! Und ich wette auf "zurück aufs Land" ... SchottLand, EngLand und IrLand inklusive ;-)
AntwortenLöschenIrLand ist ein heißer Tipp; EngLand detto :) - mal sehen, was die Zukunft bringt.
AntwortenLöschenHallo Marion,
AntwortenLöschensehnt man sich nicht immer nach dem, was man gerade nicht hat?
Und ist das nicht vielleicht was sehr Menschliches?
Hätten wir sonst den ganzen Planeten besiedelt?
Liebe Grüße
Anni