Oder: Was
es heißt, in einer Waldviertler Unternehmerfamilie aufzuwachsen
Dreizehn
Jahre ging ich zur Schule. Dreizehn Mal hatte ich Sommerferien. Dreizehn Mal
zwei Monate der Muße und des Nichtstuns. Oder: Man wächst in einem
Familienbetrieb auf – ein Unternehmen, in dem alle mitarbeiten: Oma, Opa, Mama,
Papa, Onkel, Tante. Ich bin die Älteste in der dritten Generation und durfte
oftmals als Vorbild (vor allem für meine zwei Jahre jüngere Schwester und
meinen fünf Jahre jüngeren Bruder) herhalten. Der Nachzügler und vierte in der
Geschwisterrunde war damals noch nicht geboren.
Alle drei Tage
war einer von uns an der Reihe. Morgens um halb acht ertönte der Weckruf:
„Marion – Geschäftsdienst.“ Das hieß: Telefon abheben und Auskunft erteilen, wo
der Elektromeister bzw. dessen Arbeiter zu erreichen seien; damals nicht am Mobiltelefon
sondern am Festnetz in der Horner Zweigstelle.
Das hieß
weiters: Nach dem Klingeln der Glocke ins Geschäft im Erdgeschoß zu laufen und
Sicherungen mit 16 Ampere oder Batterien AAA oder Osram-Glühbirnen matt mit 30
Watt aus der jeweiligen Lade zu fischen, einen Lieferschein zu schreiben und die
Ware an mir meist bekannte Herrschaften aus dem Dorf oder dem näheren Umkreis auszuhändigen.
Es gab unter den Besuchern (es waren stets Männer) auch Experten, die sich
selbst im Magazin zurechtfanden und sich die Schuko-Steckdosen mit dem
notwendigen Zubehör selbst suchten und dann sogar erklärten, welche
Spezialbezeichnung auf den Lieferschein müsse.
Das waren
meine typischen Sommervormittage. Besonders lästig war es, wenn an der
spannendsten Stelle des Vormittagsfilms auf FS Eins (meist die Wiederholung des
Hauptabendprogramms vom Vortag) das Telefon läutete. Hätte ich damals gewusst,
wie man flucht, hätte ich sämtliche Verwünschungen halblaut vor mir hermurmelnd
den Telefonhörer ergriffen. So aber sagte ich: „Elektro Ziegelwanger, grüß
Gott“ und hörte mir an, was an der anderen Seite der Leitung gesprochen wurde.
Meist endete das kurze Gespräch mit: „Rufen Sie bitte in Horn unter der Nummer sowieso an.“
Diese wenig
persönliche Freiheit zulassenden Ferienvormittage endeten frühestens um zwei
Uhr. Denn das war nicht unsere einzige Pflicht. Sowohl meine Schwester als auch
ich durften die vier Wände erst verlassen, wenn alle gegessen hatten und die Küche
wieder sauber war.
Wahrscheinlich
genoss ich gerade deshalb die letzten vier Sommer (2010-2014) rund um meine
Kinderpause so sehr. Zwar konnte ich in keinem dieser Sommer in den Tag hinein leben.
Doch hatte ich viele Freiheiten, von denen Gleichaltrige meist nur träumen
können. Fühle ich mich nach diesem Sommer stark und erholt genug, um einen
neuen Schritt zu wagen? Der Weg in die Selbständigkeit ist kein leichter und will
gut überlegt sein. Wissend, dass das Unternehmer-Sein meiner Eltern meine
Kindheitstage entscheidend geprägt hat.
Großartige Geschichte. Sehr berührend. Einfach wahr(haftig). Danke für diese deine Worte.
AntwortenLöschenUnd ja - so geprägt - geht das mit der Selbstständigkeit schon gut!
Nur MUT - wir alle stehen hinter und neben dir.