Die Häuser
meiner Eltern und Großeltern waren (und sind noch immer) durch eine Schiebetür
verbunden. Der Wechsel von einer Generation zur anderen war stets nur einen
Schritt entfernt. So kam es, dass ich immer wieder bei meinen Großeltern vorbeischaute,
meistens am Abend – wenn ich meine Schulaufgaben erledigt und Nachtmahl
gegessen hatte.
Der
Lieblingsplatz meines Opas war die Bank in der Bauernstube, von der er einen
freien Blick auf den Fernseher hatte. „Geh mir aus dem Licht“, war der
meistgesprochene Satz seinerseits, wenn ich (oder meine Geschwister) seine
Sicht auf die „Zeit im Bild“ versperrten. Ich sah schon als noch sehr junges
Kind viele Nachrichten. Denn ich setzte mich, um seinen gewünschten Licht-Fluss
wieder zuzulassen, einfach dazu. Meist in den roten hölzernen Schaukelstuhl.
Die „Zeit im Bild“ begleitete mich viele Abende, viele Wochen, mehrere Jahre.
Ich erinnere mich an wenig Details. Woran ich mich inhaltlich erinnere, das
sind die Erdbeben in Friaul, die via „panoptikum“ über den Bildschirm
flimmerten. Und daran, dass die beiden stimmenstärksten Parteien, ÖVP und SPÖ,
Belangsendungen (zu einem Thema X) ausstrahlen durften. Und daran, dass sich
mein Opa stets darüber echauffierte, was Kreisky gerade wieder sagte oder zu
tun gedachte. Die Männer in grauen Anzügen als Sinnbild der Politik sehe ich
heute noch vor mir. Ihre getragene Sprechweise und die Aneinanderreihung von
Worthülsen, die ich in den 1970er-Jahren noch nicht wirklich durchschaute.
Die „Zeit
im Bild“ war ein Fixpunkt. Wir haben heute keinen Fernseher zu Hause. Insgesamt
lebe ich schon seit 2001 TV-los (obwohl ich Publizistik studiert habe. Zu
meiner „Verteidigung“ anzumerken, dass ich mich nie auf TV-Journalismus
spezialisiert habe). Ich bereue das
keine Sekunde. Die wichtigen Informationen erreichen mich auch so; via (Online)
Zeitung oder seit 2009 via Facebook und Twitter. Seien es die Anschläge in
London 2005, Madrid 2004, 9/11 in New York oder eben vor Kurzem das Massaker in
der Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo.
Es ist gut,
dass wir keinen Fernseher haben. Unser Sohn würde – sähen wir wie mein Opa damals,
heute regelmäßig die ZIB – die Schreckensnachrichten der Welt – wenn schon
nicht sehen so zumindest – hören. Denn unsere Wohnung ist zu klein, um ihn
akustisch von den TV-Nachrichten abschirmen zu können. Ich will nicht, dass er
in Angst vor Menschen aufwächst.
In seinem
Kindergarten erlebt er kulturelle Vielfalt: Die Leiterin entstammt aus dem
Iran, eine seiner Pädagoginnen aus Ungarn, die HelferInnen kommen teils von den
Philippinen. Und viele der Kinder mit denen er spielt, sprechen neben deutsch
auch andere Sprachen: holländisch, englisch, tschechisch, polnisch etc. Und als
er in der U-Bahn einmal rätselte, welche Sprache die Frau neben ihm mit ihrem
Kind spricht, ermunterte ich ihn selbst nachzufragen. Seither „weiß“ er, dass
Kroaten und Serben sich beim Reden durchaus verstehen.
Ich wuchs
in einem kleinen Dorf auf. Die einzigen Nicht-Waldviertler waren die
Wochenend-WienerInnen, die in den 70er- und 80er-Jahren den A&O-Markt in
unserem Dorf stürmten, um sich mit Lebensmitteln einzudecken. Mein eigener Horizont
ging lange nicht weiter als St. Pölten, auch weil wir nie mit unseren Eltern in
Urlaub fuhren.
Meinem Sohn
will ich ein Bild der Vielfalt und des Miteinanders vermitteln und ihn nicht
durch die Fernsehbilder in diffuse Ängste stürzen sehen. Spätestens wenn er die
in den U-Bahn-Stationen und Anker-Filialen gratis aufliegenden Zeitungen wird
lesen können, ist er dem „Schrecken der Welt“ ausgesetzt. Und dann werde ich
darauf achten müssen, dass er lernt mit den publizierten Inhalten umzugehen.
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