22.06.17

Mehr als hautnah

„An meine Haut lasse ich nur Wasser und CD.“ Wer in den 1970er-Jahren geboren ist, erinnert sich wahrscheinlich noch an diese Werbung. Nun denn, CD kam nicht an meine Haut. Womit genau ich mich wusch, habe ich vergessen – Seife war es sicher – wahrscheinlich eine von Fa mit Meeresbrise in zartblau.

Lange Zeit durfte wirklich nur Seife an meine Haut. In meinen Teenagerjahren wurde diese durch Bac ergänzt. Es kam in den 1980er-Jahren auf den Markt und war das erste Stick-Deo. Dass Bac die Kurzform für Bactericid 43 war, habe ich erst Jahre später erfahren.
Schminke kam mir keine ins Gesicht, sieht man mal von dem schwarzen Kajalstift ab, den ich mit 17 und 18 Jahren regelmäßig verwendete, um meine ohnehin dunklen Augen eine noch finsterere Note zu verleihen. Von Natur aus eher mit „nobler“ Blässe gesegnet (in jungen Jahren war ich eher ein Indoor-Freak mit Buch vor der Nase) war das ein durchaus adäquater Auftritt im Alltag.

Mit Anfang zwanzig eroberte ich Wien. Dabei verzichtete ich auf das Schwarz um meine Augen und lernte nach und nach neue Menschen kennen. Eine meiner Freundinnen hatte damals – wir schreiben das Jahr 1996 – mehrere Monate als Chefredakteurin einer Zeitung in Santiago de Chile verbracht. Als sie nach Wien zurückkehrte, war sie nicht allein: Mao war für einige Zeit an ihrer Seite und bei ihr zu Hause. 

Er war Künstler und seine Werke gingen dir wahrlich unter die Haut. Meine Freundin zeigte mir ihr erstes Tattoo: ein indianisch aussehendes Zeichen auf ihrem Schulterblatt. Sie war absolut begeistert von dieser Art der Kunst am Körper. Hat sie wochenlang auf mich eingeredet? Oder war ich sehr spontan? Wie auch immer das vor mehr als zwanzig Jahren genau vor sich gegangen war: An einem Tag Ende August / Anfang September fand ich mich in ihrer Wohnung wieder. Ich saß in einem der beiden Zimmer auf einem Sessel und blätterte im Katalog mit Motiven für Tattoos: Mein Blick blieb an der Seite mit den keltischen Motiven hängen und ich wählte eines aus. Dann ging es los. Meine permanente Schulterbemalung war im Werden.

„Es wird nur ein bisschen kitzeln“, hatte mir meine Freundin versprochen. Als Mao die Nadel das erste Mal ansetzte, durchfuhr der Schmerz meinen Körper wie ein Blitz. Au! Und ich bin nicht gerade als wehleidig verschrien. „Magst du einen Schnaps?“, fragte sie mich. „Nein, danke. Ein Glas Wasser ist mir lieber.“ Und ich brauchte Ablenkung. Sie saß neben mir und wir redeten, um mich von diesem Pieksen am Schulterblatt abzulenken.

Wie ich die Tortur dann überstanden habe, habe ich wohl irgendwo in einem Blackout aufgrund des Schmerzes im Nebel belassen. Heute ist meine linke Schulter immer noch in blaugrün getaucht. Ich habe bewusst eine Stelle gewählt, an der die Haut auch im Alter keine übermäßigen Falten wirft oder sich extrem ausdehnen oder zusammenziehen könnte. So ist dieser keltische Dreiecksknoten noch heute gut in Form.

Ob ich es nochmals tun würde? Wohl kaum. Damals fand ich es cool, etwas exotischer zu sein als der Durchschnitt. Als wir jedoch im Sommer darauf öfter per Rad zur Donauinsel zum Schwimmen fuhren, stellte ich fest, dass diese Idee von Exotik plötzlich extrem viele AnhängerInnen gefunden hatte. Aus der Traum – es wimmelte überall von Tattoos an Oberarmen, Unterschenkeln, Schulterblättern und nicht zu vergessen, die damals stark in Mode kommenden „Arschgeweihe“.


Mittlerweile vergesse ich an den meisten Tagen, dass ich vernarbte Haut am linken Schulterblatt spazieren trage. Nur jetzt – wenn sich die Sommerhitze wieder über die Stadt legt und meine Oberbekleidung fast nur ärmellos ist, sehe ich es selbst wieder öfter – manchmal immer noch am Blick der anderen. 

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