21.12.15

Bruder Garten


„Du, i waaß da wos“, zählte zu einem der Lieblingssätze meines Opas und bedeutet übersetzt für Nicht-WaldviertlerInnen: „Ich hätte da eine Aufgabe für dich.“ Diesen verwendete er bevorzugt dann, wenn er gerade im Garten auf einem Bankerl unter dem Tannenbaum saß. Dabei ging es ihm stets um eine an die Enkelkinder zu delegierende Aufgabe rund um die Pflege der Pflanzen. Sei es Unkraut zu jäten, Himbeeren zu pflücken und zuvor die dafür nötigen Gartengeräte aus dem Keller zu holen. Manchmal drückte ich mich erfolgreich und verzog mich wieder nach oben ins Wohnhaus. Ich las lieber ein Buch oder kritzelte vor mich hin, als dieser mir eher sinnlos erscheinenden Tätigkeit nachzugehen.

Manchmal jedoch blieb ich unten, auch weil ich unserer Mutter versprochen hatte, mit dem um fünf Jahre jüngeren Bruder in den Garten zu gehen und dort zu bleiben. Ich versuchte die Zeit zwischen Gemüse, Blumen, Ribiselstauden und Fichtenbäumen stets möglichst kurz zu halten, auch wenn wir dort eine Sandkiste und Schaukel hatten. Die Gefahr einer auszuführenden Gartenarbeit war mir stets zu groß. Als nicht einmal Zehnjährige war ich wenig darauf erpicht, mir die Hände schmutzig zu machen. Generell konnte ich der Arbeit mit Erde damals nur wenig bis gar nichts abgewinnen. Auch wenn mir weder vor Regenwürmern noch Ameisen graute. Es war der Dreck unter den Fingernägeln, der mir damals ein körperlich spürbares Ungemach bereitete.

Und es war eben dieser Bruder, der mir vor vier Jahren indirekt meinen ersten „eigenen“ Garten im elften Bezirk bescherte. Eine Freundin von ihm hatte damals ihre Firma und Büro am Ende von Simmering gemietet und hinter dem Bürogebäude ein fußballgroßes leer stehendes Feld. Der Vermieter ließ sie gewähren, als sie ihm von ihren Plänen hinter dem Haus erzählte. Sie überließ mir ein riesiges Stück Land, um es zu begrünen. Ich begnügte mich mit deutlich weniger, denn es war eine seit Jahrzehnten nicht mehr bearbeitete „Gstettn“, auf der alles mögliche wucherte. Die Erde ließ sich keineswegs sofort wenden und mit kleinen Samen bestreuen.

Als erstes mussten die Robinien entfernt werden, die die ganze Wiese beherrschten und so undurchdringlich waren, wie auch die Dornenhecken bei Dornröschen gewesen sein mussten. Dann kam das große Graben. Wahrscheinlich konnte mein Bruder meine etwas unbeholfenen Versuche nicht länger mit ansehen und hob gemeinsam mit meinem Mann die etwa 10 Quadratmeter Testfläche aus. Beim Umzäunen als Schutz vor Nacktschnecken war ich wieder mit dabei. Mein erst eineinhalb Jahre alter Sohn blieb in einiger Entfernung bei der Freundin, die ihr Feld bereits umgegraben hatte und zog lieber mit dem Bobby-Car auf dem Parkplatz vor dem Büro-Haus seine Runden. Wenige Stunden später betrachtete der Kleine mit dem Onkel das geschaffene Meisterwerk der Urbarmachung vom angrenzenden Hügel aus.

Dieser Garten existiert – im Gegensatz zu jenem meiner Kindheit – nur noch in der Erinnerung. Länger als ein Jahr hielt meine grüne Ambition nicht an. Auch wenn ich noch immer voller Stolz an die unzähligen übergroßen Zucchini denke, die wir in jenem Sommer teils verschenkten, weil wir sie unmöglich alle selbst essen konnten. Der Garten brachte noch ein weiteres Jahr lang Früchte hervor. Dann übersiedelte das Büro und die einst bestellte Wiese blieb seither wieder brach.

Was mir blieb: Die Sehnsucht nach selbst angebautem Gemüse. Mein Bruder wird im kommenden Frühling wohl wieder den Spaten in die Hand nehmen und die Erde rund ums neu bezogene Haus in Ulrichskirchen umgraben, damit dort wieder ein Garten entsteht. Ich werde mir wahrscheinlich wieder bei ihm den letzten nötigen Antrieb holen, um meinen Traum vom eigenen Garten auch zu verwirklichen.

1 Kommentar:

  1. Das sind sehr schöne Gedanken in Verbindung mit deinem Bruder, dem Garten, dem Leben, dem Vergehen und Gedeihen ... alles ist ein Kreislauf und es geht gut weiter! Manuela

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